Jamaika-Mike - Das Buch im Interview

Das vor kurzem von der „Edition Steffan" veröffentlichte Buch „Jamaika•Mike" erzählt die spannende Geschichte von Michael Weigelt, der in den 90er Jahren mit viel zu wenig Geld nach Jamaika ausgewandert war, um hier seinen ganz persönlichen Karibiktraum zu leben. Ohne Geld schien dieser Traum zum Scheitern verurteilt und so kam es, dass sich Michael auf einen neuen und hoch riskanten Job" einließ: Er schmuggelte kiloweise Kokain von Jamaika nach England, Obwohl er selbst lieber Cannabis raucht, machte er eine Menge Geld mit Kokain und lernte dabei auch die Schattenseiten der Branche kennen. Wir trafen uns mit Michael Jamaika-Mike" Weigelt und seinem deutschen Verleger Frank Steffan im Berliner Prenzlauer Berg zu einem ausführlichen Interview über Ganja, Koks und Karibikträume.
 
Woher kommt eigentlich „Jamaika-Mike"? War das wirklich mal dein Spitzname oder klang das einfach nur als Buchtitel gut?
Das war tatsächlich mal mein Spitzname. Nachdem ich lange Zeit in Paris gelebt hatte, lautete ein Großteil meiner Zeugnisse auf den Namen Michelle, der französischen Version von Michael, der dort für Jungen ebenso wie für Mädchen gebräuchlich ist. Das störte mich auch nicht weiter, doch als ich dann auf Jamaika ankam und mich die Leute nach meinem Namen fragten und ich dann „Michelle" sagte, gab's eigentlich immer die gleiche Reaktion: „Oh no man, that's a fucking girls name!" Da die Jamaikaner überhaupt nicht damit klar kamen, wurde aus dem französischen „Michelle" schon mal der englische „Michael". Aus „Michael" wurde „Mike" und als ich dann in Deutschland im Knast saß, hat mich da jeder nur noch „Jamaika-Mike" genannt. Und natürlich dachten wir uns dann irgendwann auch, dass das ganz gut als Titel passt.
Hast du das Buch komplett alleine geschrieben oder hattest du Hilfe?
Ich hatte schon etwas Hilfe von Frank Steffan, der ja nicht nur mein Verleger und Lektor ist, sondern auch zu einem guten Freund wurde — aber im großen und ganzen habe ich das Buch alleine geschrieben, auch wenn ich oft auf Franks Tipps gehört habe und auf seine Verbesserungsvorschläge meistens gerne eingegangen bin.

strawberry cough

Ist Jamaika immer noch dein Traum(auswanderungs)land?
Hm, die Frage habe ich mir auch schon selbst oft gestellt, denn im Gefängnis habe ich vor allem deshalb überlebt, weil ich in Gedanken schon wieder auf Jamaika war. Ich war mir sicher, dass ich irgendwann wieder auf meinem Grundstück in der Hängematte liegen würde, doch letztendlich ging es ja für mich von da aus erst mal in den jamaikanischen Knast und dann direkt weiter in den deutschen. Während meiner Jahre dort war die Vorstellung meiner Rückkehr nach Jamaika schon fast ein Lebenselixier. Inzwischen bin ich schon wieder vier Jahre frei und in der Zeit hat sich so einiges verändert — jetzt muss es auch gar nicht mehr unbedingt Jamaika sein, ich könnte mir auch vorstellen, nach Costa Rica zu gehen. Aber das ist inzwischen auch nicht mehr allein meine Entscheidung, da ich mittlerweile Frau und Kind habe.
Warst du nach deiner Knastzeit noch mal auf Jamaika? Was ist denn aus deinem Grundstück dort geworden?
Im November 2009 war ich das bislang letzte Mal auf Jamaika — und zwar mit sehr gemischten Gefühlen, schließlich hatte ich mir diesen Augenblick so oft im Gefängnis vorgestellt und herbeigesehnt. Doch als ich dann auf meinem brach liegenden Grundstück ankam, musste ich schon ganz schön schlucken, denn es war nichts mehr da. Alles, was irgendwie verwendbar war — selbst die einfachste Holzlatte — war spurlos verschwunden. Mein Grundstück war so nicht mehr nutzbar und ich hätte mir einen Rechtsanwalt nehmen und wieder einiges an Geld investieren müssen, um dorthin zurückkehren zu können. Doch selbst dann wäre nicht sicher gewesen, ob ich es tatsächlich wiederbekommen hätte. Dazu kam, dass ich zwar jahrelang hier gelebt hatte, doch als ich 2009 zurückkehrte, wurde auch ich sofort wieder wie ein Tourist behandelt — das hat mich ganz schön genervt.
Insofern bin ich nun ein Heimgekehrter, für den das Thema Jamaika auch irgendwie abgehakt ist.
Trotzdem: Was würdest du nachgewachsenen Ausreisewilligen für Start-Up-Tipps geben, bevor sich diese auf den Weg auf die Karibikinsel machen?
Nicht so wie ich mit nur 3.000 Dollar in der Tasche auszureisen und zu glauben, dass damit schon alles glatt gehen wird ... (lacht).
Außerdem muss man sich schon sicher sein, dass man Jamaika wirklich liebt, denn hier gibt es kein Mittelding — entweder liebst du das Land oder du hasst es. Wenn du es hasst, dann bist du ein Typ, der sich immer wieder abzocken lässt, weil er zu allem ja und amen sagt. Wenn du auf Jamaika beispielsweise „Tomorrow" sagst, dann hauen die zwar erst mal ab, aber morgen stehen sie dann wieder bei dir vor der Tür — und da stehen sie dann solange, bis du endlich was kaufst.

grower.ch
Ganz egal, ob das jetzt eine Sonnenbrille oder irgendein Kurztrip ist. Da die Jamaikaner dahingehend wirklich penetrant sind, wäre mein wichtigster Tipp, dass man sich auch mal traut zu sagen: „Hey Alter, du gehst mir gerade tierisch auf den Sack!" Denn dann wird man plötzlich respektiert und die Leute nerven einen auch nicht mehr. Zudem muss man auch wissen, dass das bekannte „soon come" so ziemlich alles zwischen einer Zeitspanne von fünf Minuten und zwei Tagen bedeuten kann. Du musst halt erst mal die landestypische Mentalität erfassen — ich selbst habe über ein halbes Jahr gebraucht, bis mir das erste Mal ein Jamaikaner ein Bier spendierte. Es dauert halt eine gewisse Zeit, bis die sich vorstellen können, dass du als Weißer eben keine Managerfunktion inne hast oder sonst wie gut Geld verdienst. Und wenn du das wahre Jamaika erleben willst, dann darfst du eh nicht in die Touristenzentren gehen — also nicht nach Negril oder Montego Bay — sondern lieber an die Südküste. Da sind die Menschen deutlich gastfreundlicher und alles ist noch viel natürlicher. Denn was Jamaika letztendlich ruiniert, sind die ganzen All-Inclusive-Anlagen, in denen sich die Urlauber sagen: „Ich habe viel Geld dafür bezahlt, warum also soll ich die Anlage verlassen?" Zudem hören sie gleich am ersten Tag beim obligatorischen Begrüßungscocktail sinngemäß: „Die Jamaikaner wollen euch übrigens alle nur abzocken und sind zudem auch ein recht gefährliches Völkchen, also bucht mal eure Ausflüge besser über uns." Natürlich stimmt das nicht, denn letztendlich geht es dabei nur um die heiß begehrte Touristenkohle, an die die Einheimischen so kaum noch gelangen. Daher kann es dann auch schon mal vorkommen, dass die Ärmsten der Armen zu drastischeren Mitteln greifen, um ihr Überleben zu sichern. Jamaika gehört zu den Ländern mit den krassesten Unterschieden zwischen arm und reich — und diese Schere geht immer weiter auf.
Hattest du auf Jamaika eine eigene Cannabisquelle oder hast du dir das Gras immer über die Organisation besorgt, für die du kiloweise Koks geschmuggelt hast?
Die haben mir schon gelegentlich etwas zu gesteckt, aber ich hatte im nächsten Dorf auch eine über 80jährige Oma kennen gelernt, die ganz einfaches Weed hinterm Haus angebaut hat. Das Gras war wegen der lehmigen Böden zwar nicht die allerbeste Qualität, aber dennoch genießbar. Wenn ich ins Dorf kam, fragte sie mich immer: „Hey Mikey, do you need some?" Und ich dann: „Yeah, please gimme some." Meist gab sie mir dann einen ordentlichen Beutel mit bestimmt 150 Gramm drin und sagte auf meine Frage, wie viel sie denn dafür haben wolle: „Just gimme something"... Mit umgerechnet 5 DM war sie dann schon voll zufrieden.
Knapp 1,7 Cent pro Gramm sind aber auch — selbst bei mittel-mäßigem Gras — ein fast unglaubliches Schnäppchen ...
Das waren damals echte Freundschaftspreise, die daraus resultierten, dass ich dort schon eine Weile gut integriert gelebt hatte und zudem keines der negativen Klischees erfüllte, die häufig mit Weißen in Verbindung gebracht wurden. Ich war schließlich kein weißer „SlaveMaster" der alle herumkommandierte, sondern packte selbst an und arbeitete fleißig mit. Außerdem hatte ich gelernt, die Einheimischen bei allen möglichen Gelegenheiten mit einzubinden — wenn ich z. B. .mal eine Tour mit Touristen hatte, dann brachte ich sie auch mal mit zu „meinem" lokalen Fischer. So konnten sie mal mit ganz authentischen Fischerbooten hinausfahren um zu angeln oder romantische Stunden auf See verbringen. Letztendlich waren die Touristen zufrieden und auch der Fischer hat gutes Geld verdient — genau so muss man das machen, dann wird man geachtet und respektiert und hat auf Jamaika eigentlich kaum Probleme.
Auch nicht mit oder wegen Cannabis?
In der dörflichen Gegend, in der ich gelebt habe, war es praktisch erlaubt zu kiffen und im moderaten Umfang anzubauen. Selbst wenn die Polizei Leute mit Joints im Mund sah, machte sie kein Theater. Nichtsdestotrotz ist Cannabis ja illegal auf Jamaika — nicht nur Anbau und Besitz, sondern sogar der reine Konsum. Deshalb gibt es auch immer mal wieder Straßensperren, wo dann alle Autos und alle Touristen durchsucht werden. Wenn dabei etwas gefunden wird, dann wird erst mal ein übertriebenes Schreckensgemälde gemalt, was den Ertappten nun erwarten würde — schließlich soll dieser richtig Angst kriegen. Nur dann wird er richtig tief in die Tasche langen, damit man ihn „gnädigerweise" wieder laufen lässt. Wenn man dort lebt und derartiges ein paar mal erlebt hat, geht man damit irgendwann ganz gelassen um. Irgendwann habe ich innerlich nur noch abgelacht, wenn ich mir das alles mal wieder anhören musste. Wenn die Polizisten mit ihrer Angstmacherei fertig waren, sagte ich etwas wie „Hey Captain, gib mir mal dein Käppi!" und steckte da 2.000 Jamaika-Dollar rein. Daraufhin erhielt ich den Grasbeutel mit einem Lächeln zurück und man gab uns auch noch ein „Enjoy your trip!" mit auf den Weg. Wenn ich Touristen dabei hatte, schauten die mich natürlich alle immer ganz ungläubig an und wollten wissen, wie ich das denn jetzt wieder hingekriegt habe. Dabei muss man nur wissen, was im Land abgeht — dann weiß man auch, warum man sein Gras auf Jamaika letztendlich immer wieder zurück bekommt: Man könnte ja auch noch in eine weitere Straßensperre geraten und die Kollegen dort brauchen schließlich auch ein wenig Taschengeld.
Kiffst du heute immer noch oder hat dir das der deutsche Knast ausgetrieben?
Nein, das hat er nicht geschafft — auch wenn es da im Vergleich zum Gefängnis auf Jamaika verhältnismäßig schwer war, an Rauchstoff heranzukommen. Im deutschen Knast saßen mit mir ganz viele Russen, von denen du problemlos Heroin bekommen konntest. Gras gab's dagegen fast gar nicht und selbst Haschisch war absolute Mangelware — wenn du Glück hattest, konntest du alle paar Monate mal ein Stückchen Hasch ergattern. Natürlich zu horrenden Preisen: Der Kurs pro Gramm lag bei etwa zwei großen Dosen Tabak oder Kaffee. Da habe ich meinen Konsum schon drastisch reduzieren müssen.
Apropos Konsum — du hast ja ausschließlich Kokain gedealt — war da nicht die Versuchung groß, auch ab und zu mal eine Nase zu ziehen?
Natürlich hab' ich das auch mal probiert, aber ich wusste ja schon vorher, dass man besser nicht selbst konsumiert, was man im großen Stil schmuggelt. Kokain hat mir persönlich auch nie was gebracht. Dieser Geschmack, dieses den-Hals-runterlaufen, die Hitze- und Kälte-Flashs - das war einfach nichts für mich. Es gibt sicherlich auch Leute die von Gras oder Haschisch schlecht drauf kommen — aber ich glaube, das sind deutlich weniger. Für mich war und ist Cannabis jedenfalls die geeignetste Droge, obwohl ich ab und zu auch mal ein Bierchen oder einen Cocktail trinke.
Mal prozentual gefragt: wie viel an dem Buch ist Tatsachenbericht und wie viel ist Nachdichtung?
Ganze hundert Prozent sind es sicherlich nicht — aber 98% entsprechen schon der Wahrheit. Du darfst nicht vergessen, dass ich im Gefängnis war, als ich das Buch schrieb. Zu der Zeit war ich ganz schön verzweifelt und mit den Gedanken meist in Jamaika. Vielleicht habe ich daher ein paar Sachen etwas verklärt beschrieben — doch das liegt ganz einfach daran, dass mein Buch nun mal keine sachliche Beschreibung ist, sondern direkt von Herzen kommt. Ich hoffe, dass das auch der Leser merkt. Letztendlich konnte ich das alles auch nur so gut beschreiben, weil ich es selbst erlebt hatte — hätte ich da was hinzugedichtet, wäre es für mich nicht mehr authentisch gewesen. Und Authentizität war mir extrem wichtig für das Buch.
Die James-Bond-mäßigen Buchpassagen haben auf mich aber schon ein wenig unglaubwürdig gewirkt. Warum sollte z. B. dein damaliger Drogenboss Paul — nachdem du seinen Killer James überwältigt und entwaffnet hattest — einfach von dir ablassen? Im jamaikanischen Knast hätte er dich doch sicherlich auch ermorden lassen können, wenn er das wirklich gewollt hätte — hast du die Situation vielleicht falsch eingeschätzt? Warum warst du so davon überzeugt, dass er dich töten will?
Ich dachte, das im Buch eigentlich nachvollziehbar beschrieben zu haben: Ich sah die Waffe bei James und fand es komisch, dass mich Paul plötzlich im Labor treffen wollte, obwohl er mich zuvor noch nie dorthin mitgenommen hatte. Nicht, weil er mir nicht vertraute, sondern weil ich nichts ausplaudern konnte, was ich nicht wusste. Und plötzlich — nachdem wir mehrere Wochen lang keinen Kontakt hatten — schickt er einen mir Fremden, damit mich dieser ins Labor bringen soll? Das konnte einfach nichts Gutes bedeuten. Also habe ich James mit etwas Glück ausgetrickst und kam so mit dem Leben davon. Zwei Jahre später hat Paul dann mein Grundstück und damit auch mich gefunden und mir letztendlich bestätigt, dass meine Befürchtungen nicht aus der Luft gegriffen waren. Er hatte James nach dem Vorfall regelrecht davon abhalten müssen, Jagd auf mich zu machen, da er zwischenzeitlich eingesehen hatte, dass ihm von mir keine Gefahr droht und er letztendlich ja mich und nicht ich ihn hintergangen hatte. Außerdem hatte ich eine umfassende und notariell beglaubigte Aussage über meine Tätigkeit für Paul zu Papier gebracht und zusammen mit allen mir vorliegenden Beweisen bei Anwälten auf Jamaika und in Europa deponiert — im Falle meines Ablebens wären diese Unterlagen direkt an die jamaikanischen Behörden bzw. Interpol und das BKA gegangen und hätten Paul schwer belastet. Vielleicht war das ja der wirkliche Grund, dass mich Paul letztendlich in Ruhe ließ.
Glaubst du an ernsthaft an Gott, Jah oder irgendein übernatürliches Boss-Wesen?
Anfangs nicht, da habe ich weder an einen Gott noch an VoodooKram geglaubt, das war für mich alles nur Geldmacherei, mit der die Leute abgezockt werden. Bis ich dann diesen Voodoo-Priester kennen gelernt habe, der mir Dinge über meinen Vater erzählt hat, die er gar nicht hätte wissen dürfen — offensichtlich gibt es da ja doch Dinge zwischen Himmel und Erde, die sich einfach nicht rationell erklären lassen. Ich glaube zwar immer noch nicht, dass Gott in sieben Tagen die Welt erschaffen hat, aber die zwei Jahre in der Bibelgruppe des deutschen Gefängnisses haben schon ihre Spuren hinterlassen — auch wenn ich da anfangs nur mitgemacht habe, um mal aus meiner Zelle herauszukommen und meinen Weg der Besserung zu demonstrieren.
Glaubst du, die langen Gefängnisjahre durch dein Fehlverhalten wirklich verdient zu haben?
Was ich gemacht habe, war nicht richtig — ich bin also völlig zu Recht ins Gefängnis gekommen. Andererseits hätte ich gar nicht eingesperrt werden können, wenn die vorherrschende Drogenpolitik eine andere gewesen wäre. Wenn statt einer weitgehenden Prohibition illegaler Drogen diese legal oder wenigstens entkriminalisiert wären, dann gäbe es gar keinen Bedarf an Organisationen wie der, für die ich tätig war. Wenn man die ganze Energie und das ganze Geld, das im „Krieg gegen die Drogen" aufgebracht wird, irgendwie sinnvoller verwendet würde, dann wäre die Welt schon ein Stück reifer und für Menschen wie mich hätte sich nie die Frage gestellt, ob sie am illegalen Drogenschmuggel mitwirken wollen oder nicht. Dann könnten sie auch nicht — wie es mir passiert ist — das höchste Gut überhaupt verlieren: Ihre persönliche Freiheit. Letztendlich hatte ich großes Glück und einen wirklich fairen Prozess in Deutschland — über die verhängten 6,5 Jahre Gefängnis konnte ich mich wahrlich nicht beschweren und vielleicht habe ich diese Erfahrung ja auch irgendwie gebraucht. So konnte ich in Ruhe über alles nachdenken und bin dabei auch menschlich gereift — rückblickend sind die 4 Jahre, die ich dann tatsächlich abgesessen habe, doch relativ schnell vergangen und ich habe mir aus dieser Zeit das Beste mitgenommen. Vielleicht ist man ja auf dem richtigen Weg, wenn man aus einer negativen Erfahrung auch noch etwas Positives ziehen kann.
Das klingt für mich fast so, als ob du der lebende Beweis dafür bist, dass die Prohibition funktioniert: Du hast etwas Verbotenes gemacht, wurdest erwischt und eingesperrt und bist nun ein geläuterter Mensch ...
Wenn du so willst: Ja. Aber ich habe im Gefängnis auch sehr viele Leute kennen gelernt, die schon vier oder fünf mal eingesessen haben und trotzdem immer wieder kommen. Das sind Leute, die meist drogenabhängig sind und wenn die dann wieder mal raus kommen, dann hauen sie sofort das im Gefängnis verdiente Geld für Drogen auf den Kopf und feiern erst mal zwei Wochen richtig ab. Doch irgendwann ist das Geld alle und sie kriegen Entzugserscheinungen, also knacken sie wieder ein Auto oder brechen irgendwo ein — und sind so ganz schnell wieder zurück im Knast. Für diese Menschen funktioniert die Prohibition nicht, es sei denn, sie lassen wirklich die Finger von den Drogen und suchen sich einen ganz neuen Freundeskreis.
Doch das ist gar nicht so einfach, wie es sich anhört — ich war früher auch immer der Meinung: „Die Penner sind doch selber schuld!" Inzwischen weiß ich, dass ein Entrinnen aus diesem Teufelskreis der Prohibition nur den Wenigsten gelingt.
Im Nachwort erklärst du schließlich „Verbrechen zahlt sich nicht aus" — obwohl es sich ja finanziell durchaus gelohnt hat und wäre da nicht diese neu gebildete Spezialeinheit bei dir aufgetaucht, würdest du ja sicher noch heute auf deinem jamaikanischen Grundstück leben, oder? Dann hätte es sich ja doch ausgezahlt ...
Klar, das ist schon richtig. Allerdings hätte das letztendlich auch böse ins Auge gehen können, denn als ich plötzlich die dicke Kohle hatte und das auch durch mein Auto oder meine Klamotten nach außen trug, haben mich auch viele der Jamaikaner, die mich schon als armes Würstchen kannten, plötzlich ganz anders angeguckt. Es kann durchaus passieren, dass man für so viel Geld einfach umgebracht wird — zumindest, wenn man sein Leben nicht komplett umstellt und unter Sicherheitsaspekten neu organisiert. Ich weiß nicht, ob mir ein Leben im goldenen Käfig gefallen hätte - mit eigenem Wachschutz und hohe Mauern um das Grundstück. Es wäre nicht mehr dasselbe gewesen und ich hätte mich nicht mehr so frei bewegen können. Wäre ich nicht erwischt worden, wäre ich jetzt sicherlich reich. Aber möglicherweise auch mausetot. Man weiß es nicht.
Abschließend stellten wir auch an Frank Steffan, den Verleger von „Jamaika-Mike" noch zwei Fragen zum Buch-Marketing ...
Wieso bewerbt ihr „Jamaika-Mike" eigentlich als den neuen „Mr. Nice"?"Mal abgesehen von der Tatsache, dass beide illegale Substanzen geschmuggelt haben - wo ist die Schnittmenge, die eine solche Titulierung angemessen erscheinen lässt?
Der Punkt ist einfach der, dass beide Bücher im selben Verlag erscheinen. Das Buch von Howard wurde ja letztendlich auch erst durch meine Mitarbeit möglich und jetzt kümmere ich mich halt um Michael. Howard hat zudem ein ziemlich ausführliches Vorwort zu Michaels Buch verfasst und letztendlich sind beide Bücher im selben Genre angesiedelt. Aber natürlich gibt es auch Unterschiede zwischen beiden Geschichten — schließlich kann man Gras und Haschisch nicht mit Kokain gleichsetzen. Dennoch sind beide Drogen dem Gesetz nach verboten und man darf nicht mit ihnen dealen, obwohl in beiden Fällen eine durchdachte Legalisierung sicherlich große Vorteile hätte. Wie dem auch sei - nach „Mr. Nice", dem ehemaligen Dope-Schmuggler, kommt nun „Jamaika-Mike", ein ehemaliger Kokain-Schmuggler. Nicht nur aus Verlagssicht kann man ihn daher durchaus als neuen „Mr. Nice" bezeichnen.
Warum habt ihr ein Foto von Michael mit fetten Hanfpflanzen im Hintergrund für das Cover gewählt? Da kann doch schnell der falsche Eindruck entstehen, dass es sich bei „Jamaika-Mike" um einen Cannabisdealer handelt, oder?
So intensiv haben wir uns mit dieser Frage überhaupt nicht beschäftigt — wir fanden einfach, dass Michael auf diesem Bild sympathisch rüber kommt. Und letztendlich hat die Organisation, für die Michael gearbeitet hat, ja nicht nur Koks geschmuggelt, sondern auch Ganja angebaut und damit gehandelt - das besagte Foto entstand schließlich nach einem Arbeitseinsatz auf Jamaika, bei dem Michael mitgeholfen hatte, eine Plantage voller Cannabispflanzen abzuernten. Er schreibt im Buch viel über Ganja, er konsumiert Ganja, seine damalige Organisation baute Ganja an und schmuggelte es, all das sind Tatsachen und keine konstruierten Geschichten.

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