Cannabis legalisiert in Colorado und Washingtonl

 Am 6. November fanden - parallel zur Wahl des US-Präsidenten — in drei Bundesstaaten Volksabstimmungen über die Legalisierung von Cannabis statt. Es war nicht das erste Mal, dass in einem US-Bundesstaat über diese Frage abgestimmt wurde. Vor erst zwei Jahren scheiterte die Legalisierungsinitiative in Kalifornien. Und schon vor 40 Jahren war es anderen Aktivisten zu diesem Thema ähnlich ergangen (wie etwa der Gruppe „Blossom Seattle" Anfang der Siebzigerjahre in Seattle).
 
Dass nun zum ersten Mal eine Volksabstimmung zur Cannabis-Legalisierung NICHT abgelehnt wurde, ist eine absolut ein-malige und völlig neue Erfahrung! Oder sollten wir sagen: eine „zweimalige", denn gleichzeitig stimmten auch die Wahlberechtigten in Washington (dem Staat, nicht der (Haupt-)Stadt) für eine Freigabe von Cannabis. Doch was ist in Colorado und Washington passiert, dass diese Entwicklung möglich wurde? Und lässt sich so etwas in anderen Ländern wiederholen?
So viel vorweg: Von jetzt auf gleich war dieser Erfolg nicht möglich. Es brauchte einige Jahre, viel Engagement und mehrere Millionen Dollar, um diesen Kampf gewinnen zu können. Und dass Cannabis in diesen beiden Staaten legalisiert wurde, bedeutet nicht, dass dort Cannabis auf jedem Spiel-platz zu haben ist — im Gegenteil! Die Legalisierung beinhaltet eine Regu-lierung, die in Colorado folgenderma-ßen aussieht: Der Besitz von bis zu ei-ner Unze (etwa 28 Gramm) Cannabis ist erlaubt, sofern die Person 21 Jahre oder älter ist. Zudem darf jede in Co-lorado lebende Person bis zu sechs Cannabispflanzen anbauen. Es wer-den von Staat lizensierte Geschäfte eröffnet, wo Cannabis verkauft und gekauft werden kann — völlig legal und ohne medizinisches Rezept oder sonstige Auflagen. Jede Kommune hat jedoch das Recht, über die Ein-richtung solcher Cannabis-Verkaufs-stellen selbst zu entscheiden — ge-nauso wie bei den Alkoholläden. Der Konsum von Cannabis in der Öffent-lichkeit ist aber immer noch verboten, ebenso das Führen eines KFZ unter Drogeneinfluss.
cannabis legalisierung
Noch ist diese Volksentscheidung nicht rechtskräftig oder gar in die Realität umgesetzt worden. Maximal 3o Tage nach einer Volksabstimmung muss die Entscheidung in Kraft treten. Doch die Behörden müssen auch die Gesetze ent-sprechend anpassen und die gesamte Infrastruktur der Verkaufsstellen muss aufgebaut werden.
Und dann ist da immer noch das Bun-desgesetz, nach dem Cannabis weiterhin mit Heroin und Kokain auf einer Stufe steht und verboten ist. Wenn die Bundesstaatsanwälte woll(t)en, könnten sie ohne weiteres streng gegen die neu entstehende Cannabisbranche vorgehen. Das haben sie bei den kalifornischen Dispensaries bereits kurzzeitig deutlich gemacht, auch wenn sie sich derzeit wieder zurückhalten. Vonseiten der Bundesbehörden wurde bisher keine offizielle Stellungnahme bekannt, aus der eindeutig hervorgehen würde, wie die Bundesbehörden reagieren wollen. Aber vielleicht halten sie sich auch einfach an die Regeln der Demokratie und akzeptieren den Willen des Volkes.
Einige Staatsanwälte des Staats Colorado, wie etwa der Bezirksstaatsanwalt Garnett, haben die Verfahren wegen unerlaubten Cannabisbesitzes bereits auf Eis gelegt und wollen auch keine neuen eröffnen. Es hat ihrer Meinung nach we-nig Sinn, jemanden für etwas anzuklagen, das in wenigen Wochen erlaubt sein wird.
Doch mal ganz von Anfang an, was genau ist in Colorado passiert?
Um eine lange Geschichte kurz zu ma-chen, der Erfolg von „Amendment 64" wird immer wieder mit einer Person in Verbindung gebracht: Mason Tvert. Wir hatten auf dem Cannabis Cup in Amster-dam die Gelegenheit, Mason zu treffen. Er gab uns einen Einblick in die Hinter-gründe der Kampagne, was ihn motivierte und wie es ihm und seinem Team schließlich gelang, rund 55 Prozent der Wähler von ihrem Anliegen zu überzeugen. Damit erhielt Cannabis 4 Prozent mehr Stimmen in Colorado als der wiedergewählte Präsident Obama — wenn's nach Colorado gehen würde, wäre Marijuana jetzt der Präsident der USA.
Die Initiative zur Legalisierung von Can-nabis in Colorado ist eng verknüpft mit Alkohol, dessen Gefährlichkeit und wie damit in der Gesellschaft umgegangen wird. Das hat zum Teil ganz persönliche Gründe. So hatte Mason als Jugendlicher (unter 16 Jahren) eine schwere Alkoholvergiftung, die im Krankenhaus behandelt werden musste. Sein Magen wurde ausgepumpt und ihm ging es ganz schlecht — doch er überlebte. Die Polizei interessierte sich nicht für diesen Vorfall. Das kam erst, als er wegen Marijuana in eine Untersuchung geriet — ganz zufällig und ohne Probleme zu haben oder ande-ren welche gemacht zu haben. Die Polizei interessierte sich sogar so sehr für seinen Cannabiskonsum, dass das nach seinem Empfinden in keinem Verhältnis zur „drohenden Gefahr" stand. Er hatte das Gefühl, dass der Staat ihn dazu nötigen will, Alkohol zu trinken — obwohl gefährlich und Cannabis verbietet, obwohl für ihn deutlich ungefährlicher. Als dann auch noch zwei Studentinnen seiner Uni an Al-koholvergiftung starben, war für ihn das Maß mehr als voll. Es folgte ein achtjähriger Kampf, dessen (vorläufiges) Ende wir ja nun kennen.
Begonnen hatte der Kampf an seiner Universität. Mason erreichte dort mit seiner Organisation SAFER (Safer Alter-native For Enjoyable Recreation) die Um-setzung eines Referendums, nach dem die Strafen für den Besitz und Konsum von Marijuana nicht höher als die für den Besitz und Konsum von Alkohol sein sollten. Zumal Alkoholkonsum tödlich en-den kann, während Cannabis schon che-misch betrachtet dazu nicht in der Lage ist. Zwar hatte dieses Referendum keine Gesetzeswirkung, war aber eine gute Übung für kommende Aktionen.
m Jahr 2005 wurde eine Alkohol-Marijuana-Gleichstellungsinitiative ana-Gleichstellungsinitiative in Denver, Colorado, durchgeführt, die dazu führte, dass der Besitz von Cannabis innerhalb der Stadtgrenzen erlaubt wurde. Haken an der Sache: Nach den Gesetzen des Staates Colorado sowie nach Bundesgesetz blieb Marijuana weiterhin verboten. Okay, so Mason, dann muss halt auch der Staat Colorado Cannabis freigeben.
Was sich bei ihm so spielerisch leicht anhört, war in Wirklichkeit harte Arbeit. Ein Schlüssel zum Erfolg war, so Mason, dass sie versucht haben, auf die Menschen zuzugehen und ihnen klar zu machen, dass Cannabis nicht gefährlicher als Alkohol ist. Denn viele Menschen halten Cannabis immer noch für eine unberechenbare Drogen, vor der sie Angst haben und mit der sie nichts zu tun haben wollen.
Das Hauptaugenmerk der Legalisierer lag darauf, diesen Menschen die Angst vor Cannabis zu nehmen. Dazu erklärte Mason uns, dass man eine Millionen Flyer drucken kann — am Ende bringen die nichts. Wenn man es aber schafft, dass sich die Menschen über Cannabis unterhalten, und sie voneinander erfah-ren, das etwa die Frau vom Friseur der Nachbarin auch immer kifft und trotzdem „ganz normal" ist, dann beginnen die Menschen — wenn auch langsam — die Gefährlichkeit von Cannabis in Frage zu stellen.
Es bringt wenig, ihnen die 5o.000 Vorteile und Möglichkeiten von Cannabis aufzuzählen. Sie müssen selber heraus-finden WOLLEN, welche Aussagen stim-men und welche nicht.
Um möglichst viele Menschen erreichen zu können, ist es nicht genug, Info-tische oder Diskussionsrunden zu veranstalten. Mason hat das Fernsehen, Radio und die Presse eingespannt. Es wird ihm nachgesagt, er hätte eine gute Art, mit Journalisten umzugehen: Er gibt ihnen das Gefühl, DIE Story bei ihm zu be-kommen. Und dieser gute Draht zu den Medien und eine gewisse „selbstdarstel-lerische Neigung" und der Wille in der Öffentlichkeit zu stehen, haben Mason zu einen richtigen Prominenten gemacht, den dann auch der Normalbürger wahr-genommen und über ihn gesprochen hat.
Zu seiner Popularität haben sicher auch  Provokationen wie die Kampfansage an den Gouverneur John Hickenlooper und Bier-Baron Pete Coors beigetragen. Er forderte die beiden zu einem Duell auf: Sie trinken Bier — er kifft. Wer zuerst tot umfällt, hat verloren!
Keiner der beiden hat je den Handschuh aufgehoben und sich bei Mason zum Duell gemeldet. Ihnen war wohl klar, wer der Sieger sein würde. Ein anderes Mal war es ein Alkohol bedingter Vorfall am Flughafen von Denver, den Mason als Anlass für eine Pressekonferenz nutzte: Er ließ über die Medien die Forderung nach einer Freigabe von Marijuana in der Smoking-Lounge des Flughafens verbreiten. Er argumentierte damit, dass Marijuana dem Reisenden helfen könnte, Stress und Aggressionen abzubauen — ganz im Gegensatz zu Alkohol — wie der Vorfall ja gezeigt hatte. Mit derartigen Aktionen hat Mason immer wieder Aufmerksamkeit erzeugt und für eine öffentliche Diskussion ge-sorgt. In der Folge trauten sich auch im-mer mehr Prominente, Politiker und an-dere in der Öffentlichkeit stehenden Menschen, sich offen auf die Seite von Cannabis zu stellen. So nahm etwa die Musikerin Melissa Etheridge einen Radi-ospot für die Initiative auf, und die Schauspielerin Susan Sarandon besprach ein Band für einen automatischen Anrufapparat.
Ein weiterer Punkt, der die Legalisie rung von Cannabis in Colorado möglich machte, ist, dass es hier bereits seit einigen Jahren Cannabis zu medizinischen Zwecken auf Rezept gibt. Viele Menschen kennen jemanden, der Cannabis als Medizin benutzt, dem es hilft und der damit ein besseres Leben führt als ohne. Immer mehr Leute haben eigene - direkte oder indirekte - Erfahrungen mit Cannabis. Das führt zu einer anderen Wahrnehmung, man wird aufgeschlossener für Argumente, die pro Cannabis sind.
Und diese veränderte Wahrnehmung ist letztlich die Vorsetzung dafür, damit jemand die Bereitschaft entwickelt, seine Meinung zu überdenken und womöglich auch zu ändern.
Doch auch die Cannabis-Befürworter passten ihre Strategie im Laufe der Kampagne an. Lag der Focus zu Beginn noch auf der Gleichstellung von Alkohol und Cannabis, wurde später immer mehr der finanzielle Aspekt in den Mittelpunkt gerückt. Denn durch die Freigabe von Cannabis lassen sich Steuern generieren und es spart Ressourcen beim Polizei- und Justizapparat, die dann auch für wichtigere Aufgaben zur Verfügung stehen.
Und wer weiß, vielleicht lag's am Ende tatsächlich am Geld: Wenn man sich die rein finanziellen Mittel anschaut, die die Cannabis-Legalisierer bzw. ihre Gegner zur Verfügung hatten, ist eigentlich schon klar, wer das Rennen machen musste: Pro-Cannabis: 2,2 Mio. Dollar; Anti-Cannabis 0,75 Mio Dollar. In der Ver-gangenheit war es meist genau umgekehrt, die Cannabisfreunde hatten kaum bis wenig Geld, die Gegner viel bis sehr viel. Endlich ist es mal anders herum und siehe da, es geht doch.
marijuana anpflanzen
Ähnliche Erfolgsmeldungen gibt es auch aus dem Bundesstaat Washington zu berichten (Mit rund 3 Mio. Ein-wohnern ist Seattle die größte Stadt des Westküsten-Staats). Auch Washington gehört zu den mittlerweile 18 Bundesstaaten, wo die Verwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken erlaubt ist.
Der Besitz von bis zu einer Unze Canna bis wurde hier bisher mit wo Dollar Buße - aber keiner Freiheitsstrafe - geahndet. Nun wurde mit Annahme der „Initiative 502" der Besitz von bis zu einer Unze (28 Gramm) erlaubt. Anders als in Colorado darf hier jedoch nicht angebaut werden. Das Marijuana und Haschisch sollen über staatlich lizensierte Verkaufsstellen abgegeben werden. Dadurch können Ein-nahmen generiert werden, die direkt dem Staate Washington zur Verfügung stehen. Von Seiten der Legalisierungs-Initiative wurde bereits vorgeschlagen, die ersten Millionen in die Prävention und den Schutz von Jugendlichen vor den Folgen des Drogenkonsums fließen zu lassen.
s wurde noch in einem dritten US-BunEdesstaat über die Legalisierung von Cannabis abgestimmt, und zwar in Oregon. Doch hier wurde die Initiative knapp abgelehnt. Aber dennoch zeigen sich die Aktivisten zuversichtlich, denn sie erhielten mehr Stimmen, als sie selbst er-wartet hatten - angesichts ihres begrenzten Budgets von nur 6o.000 Dollar. Die Schützenhilfe aus Colorado und Washington soll bei nächster Gelegenheit genutzt und eine neue Abstimmung ins Rollen gebracht werden.
Auf dem Cannabis Cup gehörte Mason zu den meist gefragten Leuten. Jeder wollte wissen, welche Tipps und Ratschläge er geben kann, damit auch in anderen Staaten eine Wiederholung dieses Erfolgs möglich wird. Mason musste aber klar machen, dass es wohl kaum gelingen wird, die Initiative eins zu eins auf andere Staaten oder gar andere Länder auf ande-ren Kontinenten zu übertragen. Es gilt immer zu beachten, wie aufgeklärt die Bevölkerung bereits ist, welche Stimmung gegenüber Cannabis vorherrscht und wie demokratisch es in einem Land zugeht. Eine solche Initiative kann nur Erfolg haben, so Mason, wenn sie auf die Menschen zugeschnitten ist, ihre Ängste und Vorur-teile wahrgenommen werden und für gezielte Aufklärung gesorgt wird.
Colorado und Washington haben jetzt die Chance, der ganzen Welt zu zeigen, dass die Vorurteile gegenüber Cannabis nicht stimmen: Von den Legalisierungs-Gegnern wird immer wieder gerne behauptet, eine Freigabe von Cannabis würde automatisch zu einem Anstieg des Drogenkonsums bei Jugendlichen führen, mit vielen negativen Konsequenzen für ganze Gesell-schaft. Bisher war es nicht möglich, den Gegenbeweis anzutreten, da Cannabis überall — mehr oder weniger — verboten war. Das hat sich nun geändert, und bald könnten den Cannabisgegnern ihre Argu-mente ausgehen.
Die aktuelle Situation in Colorado und Washington ist völlig neu, und wir können nur hoffen, dass unsere amerikanischen Hanffreunde die Gelegenheit zu nutzen wissen. Wie sich das auf den Alltag der dort lebenden Cannabis-Konsumenten auswirken wird, wo sich die Preise einpendeln werden, welche Pro-bleme und Herausforderungen noch zu meistern sind, bleibt abzuwarten und kann wohl erst in ein paar Monaten abgeschätzt werden.


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